Ce&Trade DigitalMarkt Mai 2022
CEplus-Infos im interaktiven CE-ePaper auf www.ce-trade.de 6 AKTUELL 5/2022 SCHROTTBEWERTUNGEN Was kann man noch glauben? E ine repräsentative Umfrage von Trusted Shops ergibt, dass der Inhalt von Online-Bewertungen der maßgebliche Faktor für Kauf- entscheidungen ist. So sehen ganze 56 Prozent der befragten Personen ausformulierte Erfahrungsberichte als wichtigstes Entscheidungskriteri- um. Weniger relevant ist die Anzahl der vergebenen Sterne (20 Prozent). Es lässt sich vermuten: Individuelle Erfahrungen haben einen positiven Einfluss auf das Vertrauen zu Shop und Produkten. Doch was sind diese Bewer- tungen wirklich wert? Fragt man bei Google nach „Kundenbewertungen kaufen“, bekommt man im Bruch- teil einer Sekunde über 300 Milli- onen Resultate von Unternehmen, die beste Bewertungen spottbillig anbieten (Bild rechts). Und dies, obwohl das Gesetz gegen unlaute- ren Wettbewerb diese irreführende geschäftliche Handlung unter Strafe stellt. So wurde beispielsweise der Ei- gentümer der Bewertungsplattform PromoSolento für seine gefälschten Kundenbewertungen 9 Monate ins Gefängnis geschickt und sein Kon- to um 8.000 Euro erleichtert. Aber auch so manches Großunterneh- men unserer Branche hat sich schon mal die Finger verbrannt und für die Bestellung von gekauften Fake- Bewertungen Strafen von 340.000 $ bezahlen müssen. 100 Bewertungen für einen Tausender Trotzdem, der Fake-Branche fallen immer wieder neue Varianten ein. So bietet Lutendo Amazon Bewer- tungen mit „echten“ Produkttestern an. Ihr Kunde soll sich bequem zu- rücklehnen, Lutendo übernimmt die Abwicklungen und: „Die meisten unserer Tester sind deutsche Mutter- sprachler“, was will man mehr? Noch unverblümter ist das Angebot von Fivestar. Hier kostet eine Bewertung 12,95 Euro, und wer gleich das Paket Fivestar XL mit 50 Bewertungen ordert, zahlt statt 647,50 Euro nur 485,95 Euro. Ist doch ein Schnäppchen. Doch Stiftung Warentest hat sich im Juli 2020 mit der Flut an Be- wertungen im Internet beschäftigt und kam zu dem Ergebnis, 2 von 3 Bewertungen seien manipuliert. Die Analyse-Software Fakespot kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte aller Amazon-Bewertungen nicht echt ist. Das konnte Amazon natürlich nicht gefallen, der Gigant protes- tiert, und flugs löschte Apple die Fluxspot-App aus seinem Store. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf – besonders wenn es gute Geschäftsbeziehungen stört. Nun ist es aber nicht so, dass sich Amazon Fake-Bewertungen zunutze machen will, das Unternehmen bekämpft sie. So verklagte Amazon die beiden in- ternational agierenden Bewertungs- Händler AppSally und Rebatest. „Beide operieren international und stechen damit heraus, wie dreist sie dieses Geschäft betreiben,“ sagt Dharmesh Mehta , Amazon-Vize- präsident für weltweites Kundenver- trauen. Amazon hat 2020 rund 200 Millionen gefälschte Bewertungen gelöscht! Während gekaufte Bewertun- gen natürlich durchweg positiv aus- fallen, sind negative Bewertungen (die wohl real sein dürften) den Un- ternehmen ein Dorn im Auge, denn sie beeinflussen auch das Google- Rating des Unternehmens. Also weg damit. Auch für diese Reiningund gibt es mittlerweile Spezialunternehmen. So verspricht onnoplus eine Erfolgs- quote von 90 Prozent beim Löschen unliebsamer Bewertungen und ver- weist auf bisher mehr als 60.000 Lö- schungen in Deutschland. Verkaufsmotor Bewertung Produktbewertungen haben einen sehr hohen Einfluss auf eine Kauf- entscheidung. So informieren sich über 66 Prozent der Deutschen vor einem Kauf über Bewertungen im Internet, und 40 Prozent lassen sich von diesen Bewertungen ent- scheidend beeinflussen. Ganze 94 Prozent der Online-Käufer beschäf- tigen sich vor einem Kauf mit den Rezensionen. Mehr als die Hälfte der Befragten (64 Prozent) lesen 5 bis 20 Bewertungen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen. Weniger als 5 Bewertungen lesen sich nur 13 Prozent der Befragten durch. Sogar 71 Prozent der Befragten gaben an, ein Produkt aufgrund von einer Be- wertung nicht gekauft zu haben. Es kommt aber nicht nur auf die Aussage in der Bewertung an, auch ihre Quantität zählt. Trotz der Wichtigkeit des Inhalts, reicht dieser allein nicht immer aus, um sich positiv auf das Kaufverhalten der Nutzer auszuwirken. Für 63 Prozent der Befragten sollte neben persönlichen Erfahrungsberichten auch eine gewisse Mindestanzahl an Rezensionen vorhanden sein: 22 Prozent beschäftigen sich mit 10 bis 50 Bewertungen und 19 Prozent mit 51 bis 100 Bewertungen, bevor eine Kaufentscheidung gefällt wird. Kei- ne Beeinflussung durch die Anzahl der Bewertungen sehen jedoch auch 36 Prozent der Befragten. „Zu wenige Bewertungen – auch wenn sie positiv sind – kön- nen viele Käufer zögern lassen. Eine Bandbreite an Erfahrungen undMei- nungen können das Vertrauen schaf- fen, was vielen Käufern durch Fake- Shops und gekaufte Bewertungen genommen wurde,“ erklärt Bastian Kolmsee , Head of Trust Products and Services bei Trusted Shops. Elektroprodukte sind besonders betroffen Bei Produkten der Unterhal- tungselektronik (50 Prozent) und der Elektro-Großgeräte (57 Prozent) greift jeder Zweite auf Rezensionen zurück. Vor allem bei komplexer Elektrotechnik wird die Relevanz einer in- formierten Kaufentscheidung deutlich. Kleidungsartikel bele- gen mit 22 Prozent den zweiten Platz. „Durch eine immer größer werdende Produktauswahl wird es schwerer, die für sich richti- ge Kaufentscheidung zu treffen. Umso wichtiger also, dass Be- wertungen echt und fundiert sind. Nur so kann vertrauens- voll auf die Erfahrungen anderer Käufer zurückgegriffen werden“, ergänzt Bastian Kolmsee. Deshalb empfiehlt er, Be- urteilungen zu einem gesuchten Gerät auf mehreren Plattformen zu kontrollieren. Gibt es hier extreme Widersprüche, so sind die positiven Bewertungen, auch wenn sie in der Überzahl sind, vorsichtige zu beurteilen. Sind mehrere unzufriedene Kunden gelistet, ist das ein Alarmzei- chen. Denn wer unzufrieden ist, schreibt eher eine Bewertung! Supermarkt für Bewertungen – natürlich nur positive, das garantieren zwielichtige Unternehmen. Zu Preisen zwischen 10 und 15 Euro versprechen sie eine positive Bewertung auf Platt- formen wie Amazon, Google oder Facebook.
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